Unworlding the Internet
Text zum Workshop "Ruine als Methode - Körper, Monumente und Anarchitektur, Institut Art Gender Nature Basel, Frühlingssemester 2025"
Reparieren sei Teil des Neoliberalismus, schreibt Jack Halberstam in seinem Artikel Unworlding. «If this world is as shitty as we think it is, then why repair it?» Halberstams Unworlding stellt eine radikale Alternative zur Reparatur dar. Wie Reparatur diskriminierend wirken kann, wird besonders mit Blick auf die Sprache der Software-Entwicklung und der damit einhergehenden Strukturierung des Internets deutlich: Hier wird klar definiert, was Teil des Systems ist – und was als Glitch oder Bug erkannt und eliminiert werden muss. Reparatur bedeutet in diesem Kontext, Abweichungen zu beseitigen und das System in seiner Funktion zu stabilisieren.
Nach Halberstam kann eine tief verwurzelte, patriarchale oder kapitalistische Struktur nicht durch oberflächliche Korrekturen überwunden werden, sondern nur, indem sie radikal aufgebrochen wird. Stattdessen wäre anzustreben, dass die Ordnung kollabiert und Raum für das Ungeordnete entsteht, dass Halberstam als produktiv ansieht. Diese Art von Destabilisierung eines gefestigten Systems erinnert stark an digitales Hacking. Es legt die internen Logiken digitaler Architekturen offen und zielt zugleich auf deren Transformation ab. In Anlehnung an Gordon Matta-Clarks Konzept der Anarchitektur kann es bedeuten, durch das bewusste Hervorheben interner Strukturen die scheinbar undurchdringlichen Barrieren digitaler Welten einzureißen. Hacking wird so zu einer Praxis des Unbuilding.
Ein Beispiel dafür ist die Arbeit Contra-Internet von Zach Blas. Sie untersucht und kritisiert das Internet als eine Struktur, die von staatlicher Kontrolle, Überwachungskapitalismus und heteronormativen Machtverhältnissen geprägt ist. Blas' Ansatz zielt darauf ab, nicht nur zu kritisieren, sondern unternimmt auch den Versuch, diese Strukturen durch queere Strategien des Hacking und der Imagination auseinanderzubauen, was stark mit Halberstams Konzept des Unworlding und der Notwendigkeit, bestehende Systeme radikal aufzubrechen, um Platz für Neues zu schaffen, resoniert.
Neben konzeptuellen Arbeiten wie Contra-Internet gibt es auch von Communities gesteuerte Aktionen, die digitale Ordnungen stören oder ins Wanken bringen. Etwa Griefing oder die Ästhetik des Slop. Beim Griefing geht es darum, Systeme gezielt von innen heraus zu stören: Spieler*innen in Online-Games unterbrechen Spielabläufe, zerstören absichtlich die digitale Welt (Map) und legen offen, wie stark solche Systeme auf Kontrolle und reibungsloses Funktionieren angewiesen sind. Slop, der als «AI-Abfall» beschrieben wird, kreiert durch wild zusammengewürfelte Bildprompts, die in Massen eingegeben werden, um das Internet mit Bildern vollzuspamen. Die erzeugten Bilder verweigern sich der Logik von Klarheit, Effizienz und Ordnung. Stattdessen inszenieren sie Unlesbarkeit und Fehler.
Beide Strategien destabilisieren das Netz nicht von außen, sondern arbeiten mit eigenen Mitteln, um seine Brüche sichtbar zu machen – als subversive Formen des Unbuildings, die Halberstams Idee des Unworlding auf eine alltäglichere, aber nicht weniger wirksame, digitale Ebene übertragen.